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Dramaturgie in Zeiten der Digitalisierung

Im Rahmen des interkulturellen Theaterprojekts PHONE HOME befasst sich Michael Sommer als Gastautor auf dem Microsoft Presseblog mit den Themen der Digitalisierung, vernetztem Arbeiten und Kommunikationstechnologien im Kontext des Theaters. Er leitet als Artistic Director den deutschen Teil von PHONE HOME für das Pathos München . Das internationale Projekt findet in Kooperation mit Theaterhäusern in London und Athen statt – vernetzt durch Microsoft, indem Skype eine Verbindung zwischen allen Bühnen schafft und die Aufführungen in den verschiedenen Städten zu einer zusammenführt.

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Eins vorweg: E-Castings gibt es in den deutschen Stadt- und Staatstheatern noch nicht – jedenfalls nicht, dass ich wüsste. In der Filmbranche sind sie mittlerweile sehr verbreitet: anstatt Schauspieler zu Castings und Probeaufnahmen einzuladen, senden diese ein kurzes Video ein oder man vereinbart gleich einen Skype-Termin. Es schont das Budget der Produktionsfirma, kostet den Darsteller weniger Zeit und einen Eindruck davon, wie ein Schauspieler auf dem Bildschirm wirkt, gewinnt der Caster in jedem Fall. Das Theater hat freilich andere Bedürfnisse. Wo sind vernetzte Arbeitsweisen hilfreich und sinnvoll? Zum Stand der Dinge aus Sicht eines Dramaturgen.

Was ist Dramaturgie eigentlich?

Die meisten deutschen Stadt- und Staatstheater sind Betriebe mit einem festen Ensemble und einer produktionsorientierten Arbeitsweise. Die Rolle der Dramaturgen ist dabei eine dreifache:

  • Erstens erarbeiten sie mit den (oft externen) Regisseuren eine Fassung des zu spielenden Stücks und begleiten die Inszenierung als „erster Zuschauer“ indem sie kritisieren, befragen, bestätigen.
  • Zweitens gestalten Sie als "Gehirn des Theaters" mit dem Intendanten zusammen einen Spielplan, indem sie viele Stücke lesen, wenige davon auswählen und dann Besetzungen basteln.
  • Drittens sind sie als "Sprachrohr der Kunst" für alle Arten von Theatervermittlung, vom Programmheft über Publikumsgespräche bis zu Videoclips zuständig – für alles, was die Kunst ins Gespräch bringt.

Der Kern ist die Produktionsdramaturgie, und wenn wir von vernetzten Arbeitsweisen sprechen, dann spielt sie in der Vorbereitung einer Produktion die größte Rolle. Kein Stück wird heutzutage exakt so auf eine deutsche Bühne gebracht, wie der Autor oder die Autorin es geschrieben hat. Das Team aus Regisseur und Dramaturg setzt eigene Schwerpunkte, nimmt inhaltliche und pragmatische Striche vor und erarbeitet seine eigene Fassung.

 

Vergilbte Kunst? Hinter den Kulissen stehen durchaus moderne Technologien (Foto: Michael Sommer)

Vergilbte Kunst? Hinter den Kulissen des Theaters stehen durchaus moderne Technologien (Foto: Michael Sommer)

Der Wandel der dramaturgischen Arbeit

Die gemeinsame Produktionsvorbereitung von Dramaturgen und Regisseuren war bis in die Neunziger Jahre hinein fast nur im persönlichen Gespräch möglich. Regelmäßige Arbeitstreffen vor Probenbeginn sind nicht immer einfach zu organisieren, denn Theaterregisseure sind in der Regel Arbeitsnomaden, die nur für mehrere Wochen an einem Theater gastieren und dann weiterziehen.

Natürlich kann man zu Einzelfragen telefonieren, doch wenn man einen Text mit vielen Änderungen und Umformulierungen vor sich hat, wenn es zu erwägen gilt, was eine Formulierung bedeutet und wenn diskutiert wird, ob die dadurch ausgelösten Assoziationen in die richtige Richtung gehen – dann stoßen auch erfahrene Kommunikatoren an ihre Grenzen. Denn es ist kein Geheimnis: Der größere Teil von Kommunikation findet nicht über den verbalen Kanal statt, sondern über Gestik, Mimik, Haltung und all jene Handlungen, derer wir uns im Alltag kaum bewusst sind.

Die große Aufgabe einer künstlerischen Produktion im Team, nämlich eine gemeinsame Sprache zu finden, ist ein Vorgang, der sich nicht ausschließlich in Sprache ereignen kann. Die erste wirkliche Alternative zur Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Dramaturg und in ähnlicher Weise zwischen Regisseur und Bühnen- bzw. Kostümbildner ist die Videokonferenz. Natürlich erfordert es einige Übung, miteinander zu skypen, und manch schlechte Internetverbindung an einem Ende kann frustrierend sein. Doch wenn die technischen Voraussetzungen stimmen, dann ist die virtuelle Zusammenarbeit ein echte Alternative zu persönlichen Arbeitstreffen, die in Zeiten knapper Ressourcen immer weniger realisiert werden können.

Das Mittel der Wahl für die Kommunikation bleibt Skype

Wie viele andere Institutionen tun sich öffentliche Theater manchmal schwer mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Schritt zu halten. Dennoch ist das verbreitete Vorurteil, Theater seien "verstaubt" und "von gestern" ebenso falsch, wie das Vorurteil, Computerspiele seien "gewaltverherrlichend" und "verdummend". Nein, auch die deutschen Stadttheater sind in der Gegenwart angekommen und nehmen viele Trends der medialen Revolution auf. Theater war schon immer eine äußerst mobile Kunstform. Nicht erst seit der Trend zur Verkleinerung oder gar Abschaffung der Ensembles zugunsten freier Schauspieler geht, befinden sich die Künstler immer nur auf Zeit an einem Ort. Gerade für freie Künstler, doch mehr und mehr auch bei Stadt- und Staatstheatern werden Arbeitsformen zur Norm, die sich neuer Kommunikationstechnologien bedienen, um ortsunabhängig zu sein.

Natürlich werden Emails geschrieben und Kurznachrichten oder soziale Medien genutzt. Doch das Mittel der Wahl für die Kommunikation bleibt Skype. Die Anwendung ermöglicht dank Video-Telefonie eine ganzheitlichere Form der Verständigung, die im künstlerischen und auf Menschen fokussierten Produktionsprozess unabdingbar ist.

Ich habe in meiner Zeit als Dramaturg am Stadttheater Stückentwicklungen, Stückfassungen, Übersetzungen, künstlerische Planungsgespräche und viele andere Projekte maßgeblich über Videokonferenzen abgewickelt - Tendenz steigend.

Und ja, es wird ab und zu auch schon per Skype geprobt, das muss aber unter uns bleiben, sonst werden wieder Fördermittel gestrichen.

 

Ein Beitrag von Michael Sommer, künstlerischer Leiter des vernetzten Theaterprojekts PHONE HOME. Portrait-MS-062015-750x894