An Tagen wie diesen… #Weltfrauentag
Es bleibt mitunter ein Schicksal kalendarischer Jahrestage, dass sie kommen und gehen während die Probleme, auf die sie aufmerksam machen, sich hartnäckig halten. Das gilt auch für den Internationalen Frauentag.
Ganz „offensichtlich“ - weil indiskutabel und dennoch zu oft verdrängt - ist dies beispielsweise beim Thema Gewalt gegen Frauen. Komplexer und multikausaler wird es allerdings bei der Frage nach Diversität in unserer deutschen Arbeits- und Wirtschaftswelt. Es gilt die millionenfache Verschwendung von Talenten und viele Bremsen für die ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung zu beseitigen.
Gemischte Teams funktionieren besser
Angesichts der großen Herausforderungen unserer Gesellschaft - wobei der oft zitierte demographische Wandel nur der Vordergründigste ist – müssen wir das weibliche Potential stärker nutzen. 50,2 Prozent der Hochschulabsolventen sind zwar weiblich, dennoch nimmt mit steigender Führungsebene in Unternehmen der Frauenanteil noch immer drastisch ab: Im mittleren Management sind nur 15 Prozent Frauen tätig, auf Vorstandsebene sogar nur noch drei Prozent.
Dabei zeigen internationale Studien schon seit Jahren übereinstimmend: Frauen in Führungspositionen wirken sich positiv auf den Unternehmenserfolg aus. Auch eine aktuelle Befragung unter 3.000 Mittelständlern in Deutschland bestätigt dies. 43 Prozent der befragten Betriebe sind überzeugt, dass Frauen in Führungspositionen das Unternehmen positiv beeinflussen – und gehen insgesamt davon aus, dass gemischte Teams besser funktionieren als homogene. Eine Studie von Roland Berger hat das Einsparpotenzial für die deutsche Wirtschaft durch Diversity-Maßnahmen vor einigen Jahren mal bei rund 21 Milliarden gesehen.
Die Route steht – doch es gibt zu viele Abfahrten
Also ist die Marschroute doch klar! Es gibt kein Erkenntnisproblem. Der Kopf ist willig! Bleibt die Frage: Was macht die Umsetzung schwach? Wo gehen die weiblichen Talente verloren?
Mit Blick auf die Digitalisierung und ihre gewaltige Bedeutung für alle Branchen, Unternehmensgrößen und Lebenslagen, drohen die ersten Abfahrten von vielversprechenden Karrierepfaden bereits in der Schule: Wie ich kürzlich detaillierter beschrieben habe, werden die Weichen für ein MINT Studium bei Mädchen im Alter zwischen 11-16 Jahre gestellt. Derzeit viel zu selten. Was nicht in der Natur der Mädchen, sondern meist an mangelnder Vermittlung und fehlenden weiblichen Vorbildern liegt. Und das sollte uns keineswegs nur ein Schulterzucken entlocken. Denn hier geht es in Richtung Zukunft – oder zur Abfahrt.
Doch selbst wenn die Begeisterung geweckt und die Qualifikation erlangt ist, bleiben Stolpersteine. Harvard Business Review verweist auf eine Auffälligkeit: Im Alter zwischen Mitte Dreißig und Mitte Vierzig nimmt der Anteil von Frauen - nicht nur, aber gerade auch - in technischen Berufen deutlich ab. Häufig genannte Ursachen: Machokultur, ungleiche Bezahlung und enormer Arbeitsdruck.
Die ersten beiden Punkte zeugen von mangelnder Gleichbehandlung. In Unternehmen, die solche Feedbacks von ihren Mitarbeiterinnen erhalten, läuft etwas Grundsätzliches falsch. Beim Punkt Arbeitsdruck lohnt es sich zu schauen, was genau gemeint ist. Mit Blick auf die Bruchstelle etwa beginnend im Alter von 35 liegt die Vermutung nahe: Es hat sehr viel mit der Vereinbarkeit von privaten und beruflichen Lebenszielen und Ansprüchen zu tun.
Zukunftsmodell – vernetzte & flexible Arbeitswelten
Aus eigenen Erfahrungen wissen wir: Zu den Top-Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Attraktivität als Arbeitgeber zählt die Arbeitszeitflexibilisierung. Unternehmen mit flexiblen Arbeitsformen arbeiten dabei nach einer Studie des „Economist“ nicht nur 3x effektiver als Wettbewerber, die das nicht tun. Sie halten auch in höherem Umfang ihre weiblichen Talente.
Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen es Unternehmen flexible Arbeitsmodelle mit Vertrauensarbeitszeit und -ort anzubieten. Mitarbeiter können so selbstbestimmt entscheiden, wann, wo und wie sie arbeiten möchten. Die Ergebnisse der Werteweltenstudie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zeigen, dass diese Flexibilität allen Beschäftigten gleichermaßen wichtig ist und Zufriedenheit und Motivation steigern kann. Speziell für Mütter stellt sich die Situation aber häufig noch drastischer dar: Flexibilität ist für sie unerlässlich, um Karriere- und Familienwünsche miteinander vereinen zu können.
Netzwerke fördern
Aber neben dem eigenen Talent und der ökonomischen Vernunft des Arbeitgebers gibt es weitere Säulen, auf die sich Frauen stützen können. Bei Microsoft fördern wir seit Jahren aktiv interne wie externe Netzwerke, in denen sich Frauen austauschen, beruflich weiterbilden und wichtige Kontakte knüpfen. Ein Beispiel ist unsere Initiative „Woman Think next“. Aus ähnlichen Gründen wird Microsoft nun Fördermitglied der Initiative Women in Digital e.V. (WIDI), in der wir uns schon länger engagieren.
Kooperationen wie mit „Women in Digital“ sind enorm wichtig, um Frauen miteinander zu vernetzen, ihre Arbeit und Expertise sichtbarer zu machen und ihre Karrieren zu fördern. Damit geben wir wiederum Mädchen die Vorbilder, die sie motivieren, diesen Weg ebenfalls zu gehen. Ziel muss es sein die Sichtbarkeit von Frauen in der Arbeitswelt zu erhöhen und Diversität als wesentlichen Pfeiler der Unternehmenskultur auszubauen.
Ein Tag der Frauen
Und vielleicht stellen wir nächstes Jahr fest, dass wir Frauen zum #Weltfrauentag insgesamt wieder ein Stück vorangekommen sind. Wobei Ungeduld hier sicher auch mal eine Tugend sein darf. Dazu zählt dann aber auch Ungeduld mit sich selbst und den eigenen Geschlechtsgenossinnen. Denn die Entscheidung Mathematik oder Wirtschaftsinformatik zu studieren ist am Ende eine persönliche. Das nimmt uns keiner ab. Es bedarf auch Mut neue Wege zu gehen.
Wenn Campino von den Toten Hosen singt: „An Tagen wie diesen, haben wir noch ewig Zeit“ – dann meint er damit wahlweise ein tolles Rockkonzert oder großes Fußballspiel. Wir Frauen sehen „an Tagen wie diesen“ eher die viele Arbeit, die noch vor uns liegt. Und ewig Zeit… die hat in der digitalen Transformation niemand – weder Unternehmen, weder Männer und erst recht nicht Frauen. Das betrifft uns alle. Vielleicht wäre diese Erkenntnis schon ein Schritt nach vorne.
Ein Beitrag von Sabine Bendiek
Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland